Patagonien Pioniertour - "dort wo die rauhen Winde wehen"

Bei dieser Pionier Reise im November wollte ich mit einer kleinen Gruppe einen neuen Grenzübergang in Patagonien „erkunden“ – zuerst die einspurige Carretera Austral im südlichen Chile 500km runterfahren, bis diese sozusagen im Nichts endet, dann weiter mit einem Boot über einen riesigen Gletschersee, zu Fuß und mit Packpferden durch die Anden rüber zur Argentinischen Grenze, wieder übersetzen auf einem Bergsee und dann eintreffen, sozusagen über die „Hintertür“  im Bergsteiger Ort Chalten, am Fuße von Fitz Roy und Cerro Torre. So war der Plan – hier die kurze Geschichte dazu........

In Chile ist im November Sommer, in Santiago, der Hauptstadt, steigt das Thermometer auf angenehme 25 Grad – kein Wunder wir liegen auf einer Breite von Rom.

Aber wir wollen ja nach Patagonien, fliegen 1300km südlicher und siehe da, dort bei Ankunft in Balmaceda bescheidene 7 Grad, eisiger Wind, aber Sonnenschein. Und dieser Sonnenschein ist unsere lokale Führerin, die uns schon erwartet, Karen, immer gut gelaunt, immer kompetent und hilfsbereit, schön mit Ihr unterwegs sein zu dürfen.

Hier beginnt unser Abenteuer auf der südlichsten Straße Chiles, der Carretera Austral.

Pinochet errichtete sie aus strategischen Gründen, wegen Geldmangel baute er aber nur eine einspurige Schotterpiste, mit wenig Brücken und keinem einzigen Tunnel – wie ein langes gewundenes Band folgt sie einfach den einsamen Flusstälern und Bergrücken in den Süden, dank der grandiosen Naturräume eine der schönsten Straßen der Welt!

Wir haben Glück mit dem Wetter – den bizarren Berg Cerro Castillo hab ich noch nie zuvor gesehen, Südbuchenwälder, blühende Wiesen und weitere Schneegipfel im schönsten Licht.

Der zweitgrößte See Südamerikas, der General Carreras, empfängt uns mit einem schimmernden Grünblau, eine kurze Bootstour bringt uns zu rausgewaschenen Marmorhöhlen, die aussehen wie die weißblauen Zähne eines Riesendrachen.

Unser Agent hat eine wunderbare Lodge direkt am einsamen See errichtet, die Terra Luna.

Phillipe Reuter ist Abenteurer und sein Hobby Jetbootfahren – diese Boote wurden in Neuseeland erfunden, brauchen nur 30cm Tiefgang, haben Düsenantrieb und sind als einziges Boot bis heute sogar den Colorado River des Grand Canyon flussaufwärts gefahren!

Mit 60 Stundenkilometer rast er mit uns den Rio Leones Fluß hinauf, abgestorbene Bäume, Steine im Fluß schießen nur so an uns vorbei, total verrückt! Dann geht es nicht mehr weiter,   zu Fuß geht es eine Stunde zu einem großen Gletschersee. Hier an einem reißenden Strom ist ein Stahlseil gespannt und mit Klettergurten und Seilrollen zischen wir rüber......meine Teilnehmerin Klara meinte: „Michi das habe ich nicht gebucht!“

Drüben angekommen zieht Phillipe aus einem Unterstand ein großes Schlauchboot, weiter geht die wilde Fahrt zum 20 km langen Leones Gletscher, der steil und tiefblau mit 30m hohen Eisblöcken in den See kalbt – was für ein Brotzeitplatz!

Wieder das Ganze zurück, die Flußüberquerung mit dem Stahlseil ist nun für Jeden eine entspannte Gaudi, als hätten wir so was schon immer gemacht.

Die Lenkung des Jetboots geht kaputt, aber irgendwie kriegt unser Kapitän das wieder hin und im letzten Abendlicht flitzen wir wieder hinaus aus dem engen Tal zum großen See. Dort ist Sturm und pitschnaß nach 14h Abenteuer erreichen wir gegen 22 Uhr völlig mit Adrenalin aufgeputscht unsere Lodge – ein Ami würde sagen: „trip of a lifetime“ – danke Phillipe für diesen unvergesslichen Tag!

Staubig geht die Fahrt weiter Richtung Süden, entlang am Rio Baker. Tiefblau und voller Lachse ist er der wasserreichste Fluß Chiles und hat sich tief zwischen das nördliche und südliche Inlandeis hineingeschnitten – der größten Eis und Gletschermasse außerhalb der Pole und Grönlands. Dort wo er ins Meer mündet liegt der pittoreske Ort Tortel, ein Fischerdorf deren Häuser nur über Holzstege und Brücken zu erreichen ist. Dunkel und düster ragen über tausend Meter hoch die Berge aus dem Meer, ein Fjord wie in Norwegen.

Hier scheint die Welt und Chile zu Ende und trotzdem geht es noch mal mit einer Fähre über einen Bergsee, vorbei an subarktischen Regenwäldern bis zum kleinen Ort Villa O Higgins. Hier ist die Carretera Austral nun wirklich zu Ende und wir müssen nun schauen wie wir weiterkommen.

Einmal die Woche fährt ein Versorgungsschiff zum entlegenen Grenzposten Candelaria Mansilla, und wenn Leute da sind, weiter zum mächtigen O Higgins Gletscher. Wieder so ein unglaublicher Tag – der smaragdgrüne Gletschersee mitten in den schneebedeckten Anden, der sich wie ein verzweigtes Ungetüm über 100 km weit in den tiefen Tälern ausbreitet.  Krachend brechen immer wieder 40m hohe Eistürme von der 3km breiten Gletscherfront – wir starren wie gebannt auf dieses Schauspiel der Natur. Dann bringt ein Schlauchboot 1000 Jahre altes Gletschereis und wir kriegen „Whiskey on the rocks“ vom Kapitän serviert- total verrückt!

Wir übernachten spartanisch beim einzigen Bauern an der Grenze, nach endlosen Kontrollen( denen war sicher langweilig und wir kamen grad passend..... ) holpern wir mit Uraltjeeps durch den Wald, dann ein Schild „ Grenze Argentinien“. Mitten im Wald steht das, nichts weiter, vor uns nur ein schmaler Pfad durch die Berge! Solch einen Grenzübergang wird es wohl so oft nicht geben........

Wir schultern unsere Rucksäcke, das Gepäck soll später mit Pferden nachkommen, und marschieren durch unberührte Südbuchenwälder weiter. Nach 10km erblicken wir von einem Paß den langgezogenen Lago del Desierto, davor die Grenzstation der Argentinier mitten im Wald – die sind total Tiefenentspannt, sitzen in Trainingsanzügen da und wundern sich das wir hier antraben. Ja, hart sei der Job, 1 Monat 24h täglich seien sie da, aber dann Gottseidank hätten sie 3 Monate frei!

Eigentlich sollte uns hier ein Boot abholen, aber wir sind hier in Argentinien, und da drehen die Uhren anders, kein boot weit und breit! Zuviel Wind, vielleicht den Tag verwechselt, einfach vergessen, wir wissen es nicht. Weiter geht’s knallharte 14 km am Ufer entlang, hoch und runter, denn das ist felsig und steil und der Weg durch den Wald ist sumpfig und beschwerlich – aber meine kleine Gruppe ist superfit und ich muß schauen das ich nachkomme.......

Nach weiteren 6h Marsch kommen wir totmüde an der Straße an, der bestellte Bus ist nicht zu sehen, unser Gepäck liegt noch an der Grenze und es ist saukalt, super, eine echte Pioniertour!!!

Aber irgendwie hab ich Glück, meine Teilnehmer drehen nicht durch, ich kann ein Boot organisieren, der für einen argentinischen Monatslohn unsere Seesäcke holt und spät am Abend taucht dann doch der 3h verspätete Bus auf – Ende gut, alles gut, gegen 22 Uhr sitzen wir in unserem Hotel in Chalten bei einem Rotwein, und uns ist Allen klar, das wir solch einen Grenzübertritt so schnell nicht wieder erleben werden – viva la vida!

Für unsere Quälerei bedankt sich nun der Wettergott in den nächsten Tagen: am Morgen peitschender Sturm, grau und regnerisch, egal wo wir dann zu Fuß oder mit dem Bus  eintrudeln, reisst es auf, die Sonne strahlt und wir stehen zum Beispiel staunend vor den Granittürmen des Fitz Roy und Cerro Torre, wir machen im schönsten Sonnenlicht tausend Fotos am unglaublichen Perito Moreno Gletscher und können es gar nicht glauben, dass sich am Gletschersee unterhalb der 2800m hohen Paine Türme sich nicht mal ein Windhauch regt – trip of a lifetime!

Danke Patagonien, für diese tolle Zeit, wir kommen wieder...........