Wenn ich nun an die Reise zurückdenke, fällt mir sofort ein, daß es keine Zäune gegeben hat – außer in den paar Dörfern und größeren Orten die so alle 200km zu finden waren! Wo gibt es so etwas noch auf der Welt? Ganz Südamerika hat Zäune, Haciendas die alles Land einst kassiert haben, in Europa sowieso, in Afrika wachsen auf eingezäunten Plantagen Rosen. Gut in der Sahara gibt’s sowas noch und vielleicht in Sibirien, aber die Mongolei war da wirklich eine Offenbarung.
Das Land gehört dem Staat und die Nomaden dürfen mit Ihren Tieren frei umherziehen. Daß dieses endlose Land unter blauem Himmel so menschenleer ist, war mir nicht bewusst. Auf einer Fläche von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien „drängen“ sich 1 Millionen Menschen, oh Entschuldigung Nomaden. Der Rest ist sowieso in Ulan Bator, 1,5 Mio. sollen es nun schon sein. Die jungen Leute wollen alle dorthin, träumen von Shopping malls, Diskotheken und Chat Communities – der übliche, weltweite Wahnsinn, halt.
U.B. wie die Einheimischen Ihre Hauptstadt kurz nennen ist den langen Flug nicht wert – sehen sollte man den großen Hauptplatz mit dem Parlament und dem Denkmal von Übervater Dschingis Khan, das große russische Denkmal oben am Hausberg mit tollem Weitblick in die ausufernde Stadt und den neuen 60m hohen Buddha Maitreya im buddhistischen Kloster. Ebenso lohnt der Besuch des tollen staatlichen Folklore Ensembles - das kann man in Ruhe an einem Tag anschauen, dann aber nix wie weg in die Mongolische Weite.
Eine Stunde Autofahrt und man hat das mongolische Klischee vor Augen, endlose Grashügel bis zum Horizont in grüner Steppe, dazwischen ein paar Jurten, Pferde und Schafe.
Daß dies wirklich nur ein Klischee ist, mehr nicht, das sollten wir bald erkennen – die Mongolei hat nämlich viel mehr an großartigen Landschaften zu bieten, als was man sich vorstellen kann. Wüsten, riesige Gebirgsketten mit Gletschern, wie den 2000km langen Altai, Gipfel mit über 4000m, wunderbare Flüsse und Seen aus denen man trinken kann, im Norden eine gebirgige Landschaft mit Lerchen und Fichtenwäldern, die es so auch bei uns im Voralpenland gibt – mit dem Unterschied allerdings: weder Zäune, Seilbahnen, Strommasten, Hotels, noch Infrastruktur an sich, nur Natur, endlose Stille und Schönheit.
Das war mich wirklich die größte Überraschung bei dieser Reise, solch eine unberührte Gegend habe ich selten auf der Welt gesehen. Es gibt Pläne die vielen Mineralien abzubauen, das wäre natürlich für die Natur ein Desaster, wie überall auf der Welt, also fahrt vorher hin, bevor es zu spät ist!
1000km fahren wir mit kleinen Allradbussen, einem Küchenauto und unseren ganzen Zelten Richtung Norden – ja 18 Tage Zelten ohne Dusche, ich gebe es zu, ist nicht jedermanns Sache. Aber in dieser Landschaft und bei diesem Klima einfach ein Traum!
In den 3 Wochen nur 2 Regentage! Schön, daß dies Land über 3000km von den nächsten Meeren entfernt ist, daher gibt es nur ein Fünftel unserer Niederschläge. Jeden Abend hatten wir einen Traumzeltplatz ohne Nachbarn, an glasklaren Flüssen, kilometerlangen Seen, am Waldrand oder in der endlosen Steppe. Immer der Blick in die Weite und auf den weißblauen Himmel (wie in Bayern!), den die Mongolen als Ihren höchsten Gott verehren. (gefällt mir.... )
Schon nach wenigen Stunden spüren wir, daß die Organisation vor Ort hervorragend ist – jeder total freundlich und man versucht uns jeden Wunsch von den Lippen abzulesen.
Die Fahrer putzen jeden Tag ihre Autos, wir haben viel Platz und für Fotos wird jederzeit angehalten. Es gibt extra einen Zelt-Aufbauer, jedes Lager steht bereits wenn wir ankommen und wir können in Ruhe unsere geräumigen 4 Mann Zelte (für 2 Pers.!) beziehen.
Dann gleich Tee und Gebäck, abends ein Traum-Essen mit Suppe, Hauptgericht und Nachspeise. Aryuma, unsere Zauberköchin, schafft es in 3 Wochen immer eine andere Variation an Essen zu kreieren, natürlich mit viel leckeren Fleisch, (Vegetarier tun sich schwer in der Mongolei, Veganer sterben). Gelernt ist gelernt, sie war mal Köchin in einem Fünfsterne Hotel.
Zur Sicherheit, falls es doch mal regnen sollte, gibt es ein riesiges Messezelt, in dem auch ein Kleinbus parken könnte, dazu Tische und Stühle mit Rückenlehne, welch ein Trekker-Luxus!
Nach dem Abendessen sofort die Frage von Ron, dem ständig umherwuselnden Chef der Agentur: wollt Ihr Feuer ( Ron liebt es ebenso,… ) und schon sitzen wir bis abends um Elf am prasselnden Lagerfeuer mit einer Dose Bier in der Hand und genießen das Leben in dieser Einsamkeit – fast schon kitschig!
Morgens gibt es sogar „early morning tea“, überreicht von unserer süßen Dolmetscherin Ujanga und dem stets lachenden Dorje. Dann Frühstück mit Spiegeleiern und Speck, aber auch Müsli mit Früchten, selbstgemachtes Brot, heißer Kaffee und wir sind bereit für den Tag.
Der erste Teil der Reise gibt uns einen Überblick über die landschaftliche Vielfalt der Mongolei, also Blicke auf Steppe, Sanddünen! (wir besteigen sogar welche), Lerchenwälder, große Seen, Flüsse und mächtige Vulkane, Bergpässe mit über 2000m (das Land ist durchschnittlich 1500m hoch!) und ein paar Siedlungen am Wegesrand. Dies sind meist Versorgungstationen der Nomaden, wo man Benzin, Lebensmittel, Jurten, und Motorräder kaufen kann.
Eine der größten Orte ist Karakorum, die Hauptstadt Dschingis Khan‘s. Im 13 Jahrhundert war dies eine pulsierende Metropole mit 30.000 Menschen, breiten Straßen, großen Handwerkshäusern, Palästen, Kirchen, Klöstern und sogar Moscheen! Alle Konfessionen wurden liberal behandelt und man entschied sich schließlich für den tibetischen Buddhismus.
Im Tal des Orchon Flusses lies Dschingis seine Reiterheere aufmarschieren – bis zu Hunderttausend Mann und diese eroberten mit brutaler Gewalt die halbe Welt, das größte Reich jemals, vom Pazifik bis nach Mitteleuropa, überall wehte die Mongolische Flagge.
Dieses Weltreich sollte aber nur 130 Jahre überdauern, Kublai Khan regierte schon lang in Peking, die Mongolen wurden dekadent und dick und Schluss war es mit der einstigen Herrlichkeit. Wir sitzen vor unseren Zelten am Orchon und hätten gerne eine Zeitmaschine, hier war vor knapp 800 Jahren das Zentrum der Welt, heute eine einsame Flußbiegung…...
Um uns fit zu machen für das 8 tägige Trekking steigen wir auf den Khorgo Vulkan, stolpern 10km über aufgerissene, scharfkantige Lavafelder und marschieren runter ans Ufer des riesigen Tsagan Nuur Sees. Bei Gewitterstimmung spannen sich mächtige Regenbögen über den See, ein Spektakel das uns fast den Atem raubt – so schön kann es in keinem Fünfsterne Hotel sein!
Bei der Weiterfahrt Richtung Norden, besuchen wir die ersten Nomaden in ihren Jurten – oberstes Gesetz: nicht anklopfen, nicht über die Schwelle stolpern und nicht den Kopf an der Tür anhauen – das erzürnt die Hausgeister. ( bei mir recht schwierig da die Tür nur 150cm hoch ist. )
Sofort wird Milch-Tee, Käse und Gebäck angeboten, Gastfreundschaft ist in den Genen der Mongolen seit Jahrhunderten verankert. Wir erfahren, daß man mindestens 300 Tiere pro Familie braucht um zu überleben, also Pferde, Schafe, Ziegen und Yaks, und daß es Sommer- wie Winterlager gibt. Die Mongolen sind das bestausgebildetste Nomadenvolk der Welt, sie können alle lesen und schreiben, surfen im Internet und schauen Fernsehen über Satellit. Man weiß auch alles über den Nachbarn, sogar wenn die nächste Jurte einen Tagesritt entfernt ist …
In der Nähe des Hövskol Sees beginnt unserer Trekking – heute schüttet es mal wie aus Eimern, sollte uns das Kontinental Klima im Stich lassen? Tut es aber nicht, die nächsten 10 Tage scheint nur die Sonne!
Unsere gesamte Ausrüstung kommt nun auf 24 Pferderücken, was für eine Logistik, selbst das Küchenauto wird überflüssig, dafür ist jetzt ein Ochsenkarren dabei. 6 Nomaden mit Anführer Chinbar führen uns, treiben die Packpferde durch Flüsse und Sümpfe und sind für unsere Sicherheit in absoluter Wildnis zuständig. In 4 Tagen wandern wir so 100km, meist weglos, bis zum Ort Renchilum, zum großen Naadam Fest in diesem Jahr.
Es gilt ein wildes Gebirge zu durchwandern, das irgendwie mit seinen Karstfelsen an das Karwendel erinnert, nur ohne Autos, Straßen und Menschen. Wir wandern und die Mongolen wundern sich sicherlich wieso wir nicht reiten?! – ein Mongole wandert nicht, würde es nie tun, er reitet, und das von Kindheit an!
Das Naadam, das Fest der „drei männlichen Spiele“ findet immer vom 10.-13 Juli in den Dörfern der Mongolei statt. Es gibt auch das Staats Naadam im großen Stadion von Ulan Bator, aber auf den kleinen Dörfern ist es viel authentischer und man ist hautnah am Geschehen.
Jeder in dem 5000 Seelen Dorf ist irgendwie aufgeregt – die Jungs zwischen 10 und 12 Jahren trainieren bereits mit Ihren prächtigen Pferden und freuen sich auf das 30km Rennen durch die Steppe. Kernige, baumlange Burschen, marschieren mit Nike Trainingstasche um die Schulter und voller Kraft Richtung Stadion – die Ringer, die Helden, machen sich bereit für die Show. (Ringen ist im Land genauso populär wie bei uns Fußball und die WM in Brasilien interessiert im Moment hier nicht viele!).
Wir können wirklich beim Ringkampf hautnah dabei sein, zwei Meter vor uns fallen die Verlierer in den Sand – wer als Erster mit Knie, Ellbogen, Hand oder sonstigen Körperteilen, außer dem Fuß, den Boden berührt ist raus, bekommt einen Klapps vom Sieger auf den Hintern und hofft auf leichtere Gegner im nächsten Jahr. Es gibt keine Gewichtsklassen, der Schmale, Flinke versucht es auch gegen den Muskelprotz, sollte er gewinnen, ist ihm die Anerkennung des Publikums sicher. Die besten Ringer treten beim großen Naadam in Ulan Bator an, Gewinner werden Adler oder Koloss getauft, verdienen unheimlich Kohle, sind Helden im Land und gehen oft als Sumo Ringer nach Japan, wo man noch mehr verdienen kann.
Die Nomaden kommen aus der ganzen Gegend, sind festlich und traditionell gekleidet, feiern und essen, treffen hier Ihre Verwandten. Die Jungen sind westlich gekleidet und gehen auf Brautschau, sonst ziemlich schwierig im menschenleeren Land.
Wirklich imponierend ist das Pferderennen: auf ein geheimes Zeichen (wir konnten es nicht ergründen) laufen alle Zuschauer hinaus an den Ortsrand, dort wo eine rote Fahne das Ziel markiert. Man sieht zuerst nichts, dann Staubfahnen und plötzlich tauchen sie auf in vollem Galopp, ohne Sattel, in Socken, peitschen sie die Pferde 30km vorwärts. Mit Siegesgeschrei überqueren die ersten die Ziellinie, die Zuschauer grölen und juchzen wie ein ganzer Indianer Stamm!
Dann werden die Siegerpferde samt Reiter in der Koppel präsentiert – die ersten 5 gewinnen – die Ehre gebührt nicht dem Reiter, sondern dem Züchter des Pferdes. (denn kommt mal ein Pferd ohne Reiter als Erstes in das Ziel, hat es gewonnen!)
Das Bogenschießen, die dritte Sportart, die Dschingis Khan vor 800 Jahren einführte – ein Mongole konnte damals treffsicher pro Minute 20 Pfeile aus vollem Galopp abfeuern – ist heute Volksbelustigung und nur noch Wenige beherrschen diese edle Kunst.
Wir ziehen mit tausend Naadam Fotos auf der Speicherkarte weiter. Sind nun eingeladen bei Nomaden in der Nähe: es gibt landestypische „Ziege in der Milchkanne“. Flusssteine werden im Feuer erhitzt, kommen in die leere Kanne, dann Kartoffeln, Gemüse, Kräuter, ein halber Liter Wasser dazu und das Fleisch einer ganzen Ziege! Deckel drauf und 11/2 h lang köcheln lassen. Oh, ich brauch ja sonst nicht so viel Fleisch, aber das ist absolute Weltklasse vom Geschmack….
Jetzt sind wir gestärkt für die nächsten Trekking Tage Richtung Hövskgol See: durch Lerchenwälder, wilde Fluss Deltas und Sumpfgebiete geht es hinauf zum fast 2000m hohen Jiglig Paß. Manchmal laufen wir knöcheltief durch Edelweiß Wiesen, tollen wie Kinder durch diese alpine Blumenpracht.
Irgendwo im Wald, ein kollektiver Urschrei, 16 Mitteleuropäer springen wie wildgewordene Derwische durch den Wald – wir sind Fußball Weltmeister! (gut das ich mein Satelliten Telefon für diesen „Notfall“ dabei hatte………)
Durch den dichten Nadelwald schimmert magisches Blau: das zweitgrößte Trinkwasser Reservoir Asiens liegt einsam und verlassen in 1600m Höhe, der wunderschöne Hövskgol See. 140km lang und bis zu 40km breit, ist er 4mal so groß wie der Bodensee, einer von nur 17 Seen auf der Erde, der älter als 2 Millionen Jahre ist. Das Wasser ist trinkbar, glasklar und voller Fische – die Mongolen essen kaum Fisch und wir sehen in 3 Tagen nur ein einziges, kleines Boot auf dem See!
Wie wunderbar hier am einsamen Ufer zu wandern und 3 Tage zu zelten. Noch einmal können wir die Seele baumeln lassen, Steine sammeln, Baden gehen, am Feuer sitzen, dem mächtigen Sayan Gebirge im Norden beim Sonnenuntergang zusehen, einfach Eins sein, mit der Natur.
Das ist das Geschenk der Mongolei, diesem Land ohne Zäune und dem weiten, blauen Himmel: Zeit und Ruhe zu haben, für sich und seine Gedanken – schön daß es so etwas noch gibt!
Ich komme garantiert wieder!